Kommentar zum 7 Euro Rollstuhlbeitrag bei Taxifahrten

Stefan Kingbeil

Seit Anfang des Monats müssen Menschen im Rollstuhl eine Zwangsabgabe für Taxifahrten zahlen. Diese Gebühr steht unter Kritik und das zu Recht, denn sie diskriminiert. Was hier im Kreistag im Eiltempo - trotz aller Kritik der Oppositionsparteien, allen voran Bernd Wölbern (SPD) - beschlossen wurde, zeigt, dass Verantwortliche der CDU, WFB und FDP das Ziel einer inklusiven Gesellschaft nicht verstanden haben. Ich könnte soweit gehen, zu sagen, sie torpedieren es, wo sie eben können.

Diese privat zu tragende Gebühr ist keine strukturelle Lösung. Wir Bürger:innen des Landkreises Rotenburgs tragen damit keineswegs alle gemeinsam zur Inklusion bei, sondern verlangen von Menschen im Rollstuhl zusätzliche Beiträge aus privatem Geldbeutel zu zahlen, um von A nach B zu kommen. Mobilität ist soziale Freiheit, aber mit einer freien Entscheidung hat die Situation nichts zutun. Kein Menschen sitzt freiwillig im Rollstuhl!

Die Einführung des von Landrat Marco Prietz eingereichten und von der Mehrheitsgruppe der CDU beschlossenen Rollstuhlzuschlags von sieben Euro für Taxifahrten deckt die Interessen von Fahrgastverbänden. Zugleich bedient diese vermeintliche Lösung aber nicht die Interessen von Menschen mit Behinderungen.

Es wurde bislang keine solidarische Lösung im Ganzen gesucht, stattdessen werden bereits unfreiwillig Benachteiligte zur Kasse gebeten.

Jetzt können wir uns hier vor Ort streiten, ob das, was hier im Kreistag beschlossen wurde, rechtens ist oder nicht. Ich halte es - wie auch die Landessozialministerin Behrens (SPD) für diskriminierend. Aber, das wird womöglich an anderer Stelle entschieden werden.

Was ich allerdings an dieser Stelle noch schärfer als diesen Beschluss kritisiere, ist der Umgang mit Betroffenen. Denn auf Nachfrage beim Vorsitzenden des Kreisbehindertenbeirats Herr Bredehorst stellte sich heraus, dass der Behindertenbeirat des Landkreises zu keinem Zeitpunkt eingebunden war. Da packe ich mir an den Kopf! Wozu haben wir einen Kreisbehindertenbeirat, wenn dieser völlig ignoriert wird?

Mit der Beauftragung zu einer Stellungnahme von Herrn Mahnken als Mitarbeiter und Behindertenbeauftragter des Landkreises Rotenburg sollte es offenbar getan sein. Auch dieser kritisierte diese Entscheidung, wurde aber schlichtweg überhört.

Dieses Vorgehen ist alles, nur nicht inklusiv und zeigt, wie „von oben herab“ in die Teilhabebedingungen von Menschen mit Behinderungen eingegriffen wird ohne Betroffene Einzubinden. Ist das bürgernahe Politik? Eine Frage der Perspektive.

Ab diesen August tritt also diese Abgabe in Kraft . Mit annähernder Sicherheit werden damit Rollstuhlfahrende noch weniger am öffentlichen Leben teilhaben, da sie es sich schlicht nicht leisten können.

Offensichtlich hat das Wirtschaftsministerum in einem Schnellschuss agiert und vorher nicht mit dem Sozialministerium kommuniziert. Der Landkreis unter der Führung von Prietz (CDU) hat offensichtlich die Entscheidung aus dem von Althusmann (CDU) geführten Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung unkritisch und blauäugig übernommen.

Ich fordere den Landrat auf, ein sofortiges Moratorium durchzusetzen, bis die Gleichbehandlung in dieser Angelegenheit (juristisch) geklärt ist!


Mit kritischen Grüßen
Stefan Klingbeil

Kreistagsabgeordneter für DIE LINKE.
Heilerziehungspfleger